Texte

ABSOLUT! (2011)

Unsichtbar > > > Willst Du, dass die Welt sich nicht verändert, damit Du es Dir leisten kannst weiter gegen sie zu sein? Deine Tür steht immer einen Spalt breit offen, Du hörst nie auf zu hoffen, niemand ist gern allein. Das ist der Regelfall, das macht uns unsichtbar und Du bist Jedermann und Niemand. Wir sind überall, doch nie wirklich da. Wir sind Jedermann und Niemand. In einer Gegenwart, die schon tot ist, in einer Zukunft, die noch schläft. // Welch ein Wohlgefühl ganz langsam einzudösen, man dringt tief ein in vertrautes Grenzgebiet. Wenn Raum und Logik sich anfangen aufzulösen regiert man allein, hoch lebe die Hypnogogie. Doch dann wachst Du auf und bemerkst den Verlust: Ein Drittel Deiner Zeit verstreicht ganz unbewusst. // Nichts stört uns, nur die Zeit, in der wir leben. Nichts gehört uns, nur die Zeit, in der wir leben. // Und es zieht Dich nachts raus auf die dunkle Straße. Niemand sieht Dich, niemand spricht Dich an. Es umgibt Dich ein Halo-Schein, eine schimmernde Blase. Alles friedlich hinter einer Art Membran. // Wir sind unsichtbar, nie wirklich da, unsichtbar. Unsichtbar.

Transformers > > > Was bringen zwei linke Hände, lebt man doch längst auf zu großem Fuß? Einen hohlen Bauch am Monatsende und man verliert zu allem Überfluss den Kopf dabei. Im Raum verteilen sich Glieder, tausend Einzelteile, die sich tagtäglich wieder neu zusammensetzen zu einem Mosaik. Sie bilden Körper, Schwärme, Banden, werden Firma und Fabrik. // Was haben wir denn gemeinsam? Wir haben nichts gemeinsam. // Wir leben alle prekär, aber viel zu verschieden, um für eine ferne Zukunft auch noch Pläne zu schmieden, doch vor unseren Rechnern, in unseren Betrieben, werden wir alle von den gleichen Mechanismen aufgerieben. Die Zeit ist abgelaufen in all diesen Welten. Eure Zeit ist abgelaufen, all ihr Festangestellten. Es ist höchste Zeit zu handeln und endlich einzuschreiten, der Moment, sich zu verwandeln. Nutzt eure Möglichkeiten. // Transformers, Transformers // Ja, was haben wir denn gemeinsam? Wir haben nichts gemeinsam.

Hunde > > > Hörst Du nachts die Hunde in Deinem Keller bellen? Du weißt genau im Grunde musst Du Dich ihnen stellen. // Du stellst Dir vor, gleich morgen, kurz nach dem Erwachen, steigst Du die Treppe runter und stopfst ihnen ihren Rachen. // Schreibe Deine Ängste auf dieses Stück Papier, falte es zusammen und steck es Dir in die Tasche. // Wenn Du es wiederfindest und liest, dann wirst Du sehen, Du kannst nur noch darüber lachen, darüber lachen, über Dich selber lachen.

Hier draußen > > > Noch in aller Herrgottsfrühe zum Frühstück einen Fliegenschwarm. Die Landschaft gibt sich wirklich Mühe. Idyllisch, aber geistesarm, hier draußen auf dem Land. // Bei Sonnenaufgang in den Stall. Der platzt aus allen Nähten. Stoffwechsel überall. Alles geht durch sieben Mägen hier draußen auf dem Land. // Pünktlich um halb eins zurück zu meinem Fliegenschwarm. Rote Farbe im Gesicht, zufrieden, aber geistesarm. Alles ehrlich, direkt und pur, alles viel zu viel Natur hier draußen auf dem Land. // Und viel zu viel zu viel, viel zu viel Natur. Alles ehrlich, direkt und pur, alles viel zu viel Natur. Hier draußen auf dem Land.

Noch so ein Jahr > > > Du schläfst ein unter Tischen und Du wachst auf in meinem Bett. Ich weiß, ich werde Dich vermissen, aber Du, Du tust es nicht. Nein, Du tust es nicht. // Bei Dir sieht alles so einfach aus und Du lachst mir ins Gesicht. Du bist da, wenn ich Dich brauch, aber Du, Du brauchst mich nicht. Nein, Du brauchst mich nicht. // Verbindet uns denn etwas? Sind wir beide nur nicht gern allein? Ich will nur nicht länger der Idiot an Deiner Seite sein. Ist das etwa Liebe? Oder vielleicht doch nur Hunger? Ich habe einfach keine Lust mehr länger mit Dir rumzulungern. // Dieses Zimmer, diese Stadt, diese Bar. Ich komm damit nicht klar. Es ist wie immer, noch so ein Jahr. Ich komm damit nicht klar. Ich komm damit nicht klar. // Verbindet uns denn etwas? Sind wir beide nur nicht gern allein? Ich will nur nicht länger der Idiot an Deiner Seite sein. Ist das etwa Liebe? Oder vielleicht doch nur Hunger? Ich habe einfach keine Lust mehr länger mit Dir rum zu lungern wie ein Hund vor der Metzgerei.

Dunkelrot > > > Er schaut aus dem Fenster, Wolken wie aus Watte, im Pausenhof das Mädchen, mit dem er mal was hatte. Dunkelrot. Er steht in der Toilette und das Taschentuch in seiner Nase färbt sich langsam rot. Dunkelrot. Er blickt in den Spiegel und kann sich dort nicht sehen, nur zwei trübe Augen, und er flucht leise: Idiot. Idiot! // Der Kopf strengt sich zu sehr an. Er strengt sich viel zu sehr an. All die Körper, die er kennt und all die, die er gerne noch kennen lernen würde, scheinen sich vor ihm zu verstecken in Kleiderschränken voller Haare und in dunklen Ecken // Der Kopf strengt sich zu sehr an. Er strengt sich viel zu sehr an. Bei einer Tretbootfahrt im Sommer, bei einem Sprung ins kalte Wasser, bei einer ersten Berührung im Schatten einer Unterführung. Er strengt sich zu sehr an. // Ja, der Kopf strengt sich zu sehr an. Er strengt sich viel zu sehr an. Das ist ein Körper, den er kennt. Da ist ein Raum hinter dem Spiegel, ein gut geöltes Getriebe, ein Stück zuckendes Fleisch, vielleicht, vielleicht, ja, vielleicht strengt er sich zu sehr an. // Verzweiflung und Zerstörung // Bist Du dabei oder dagegen? Diese Frage stellt Dir das Leben. Greifst du jetzt an? Steckst Du Dir Ziele? Ein Leben lang, Dein Leben lang: Bundesjugendspiele.

Malewitsch > > > Mit einem ungläubigen Staunen, so hat alles angefangen. Ich wisch den Dreck aus meinen Augen und der Himmel steht in Flammen. Schreiben wie Malewitsch malte, das Leben im Quadrat und großformatig. // Weg mit dem Blau des Himmels. Weg mit dem Horizont. Weg mit der Perspektive und den Vorstellungen davon. Schreiben wie Malewitsch malte, das Leben im Quadrat und großformatig. // Dieses seltsam abstrakte Gefühl des Suprematismus. It‘s a love supreme. Das ist alles, was mit muss. Schreiben wie Malewitsch malte, das Leben im Quadrat und großformatig. Leben wie Malewitsch malte. Schreiben wie Malewitsch malte. // Schafft die Schwerkraft ab und die dritte Dimension. Setzt die Logik außer Kraft und die Moral, die Staatsraison. Schreiben wie Malewitsch malte, das Leben im Quadrat und großformatig. // Und wir gleiten im Morgengrauen vorbei an Hügeln und an Wiesen, einer Welt zwischen Tag und Traum, einem schlafenden Riesen, weiter, weiter, weiter…

Staub > > > Wir beobachten die Evolution unter unserem Bett. // Nach unergründlichen Regeln formieren sich Welten aus Staub wie galaktische Nebel, seltsam fremd und vertraut. Es braucht nur unsere Anwesenheit für den Anfang und dann etwas Geduld und Zeit, damit es wachsen kann. // Wir beobachten die Evolution unter unserem Bett. // Runde um Runde knackt und knistert es auf Platten und in unserer Lunge nistet ein flauschiger Schatten, ein Hintergrundrauschen, aber wir stellen uns taub. Mit allem, was uns erfüllt, verhält es sich wie mit Staub: es braucht unsere Aufmerksamkeit für den Anfang und dann unsere Abwesenheit, damit es wachsen kann. // Am Abend im Kinosaal sehen wir Schlieren im Lichtstrahl. Wir sehen sie tanzen und wimmeln, fast wie Wolken am Himmel. Sie bevölkern die Atmosphäre und geben dem Himmel sein Blau. Wir fürchten weiter die Leere und züchten weiterhin Staub. // Wir beobachten die Evolution unter unserem Bett.

Gramsci > > > Ein trüber Ausblick durch graue Ränder, eine Milchmädchenrechnungsmüdigkeit. Auch ein akribisch geführter Kalender verhindert nicht das Versickern der Zeit. Wir versuchen unsere Unrast zu zähmen, wir bekämpfen mit Besen die Flut, doch irgendetwas scheint uns zu lähmen. Für einen Schlussstrich fehlt uns wohl der Mut. // Wir runden auf und rechnen ab. Wir schauen zurück und bilanzieren und wir wissen unsere Leidenschaft wird irgendwann mutieren zu einem klebrigen Gefühl in unseren Händen, wenn wir sie nicht verschwenden, wenn wir uns nicht verschwenden. // Der Mensch ist ein Rechnungswesen, er hat ja Werte im Blut und ein stabiles System aus Gefäßen. Die Endlichkeit trifft ihn absolut. // Wir runden auf und rechnen ab. Wir schauen zurück und bilanzieren und wir wissen unsere Leidenschaft wird irgendwann mutieren zu einem klebrigen Gefühl in unseren Händen, wenn wir sie nicht verschwenden, wenn wir uns nicht verschwenden. // Pessimistisch im Geiste, optimistisch im Herz.

Dunkles Herz > > > Unter unseren Füßen knirscht der Schnee, ein Flirren und Flimmern im Sonnenschein. Du kannst die Schönheit nur nicht sehen, in Dir regiert noch immer Dein // Dein dunkles Herz. Dein Herz. Es schlägt. Es schmerzt // Alles, was Du in Dir trägst, Vorstellung und Wirklichkeit, ist ein schmaler Gang, durch den Du Dich bewegst, der sich windet und verzweigt. Dann schwebt vor Dir // Dein Herz. Dein dunkles Herz. Es schlägt. Es schmerzt. // Seltsam wie schnell es doch vergisst, was Dir mal so wichtig gewesen ist. // Dein Herz. Es schlägt. Es schmerzt.

Paul & Madeleine > > > Madeleine liebte Hautkontakt. Paul ließ seine Hand über ihren Rücken streichen. Sie sahen sich am liebsten nackt und beide fragten sich, würde das schon reichen? Vielleicht war es Schicksal, dass die beiden sich trafen, vielleicht ein Fehler zusammen zu ziehen, aber es fühlte sich gut an mit einander zu schlafen und zwischen neuen Möbeln Alltag zu spielen, doch sie kommen, sie kommen nicht mehr zusammen. // Es fällt uns allen offenbar immer schwer an mehr zu glauben, mehr als an das unmittelbar vor unseren Augen. Paul sprach von Aufrichtigkeit, sie schwieg nur und dann gab es Streit. Den Unterton zu leugnen hatte keinen Zweck, er schwoll immer mehr an wie ein Gitarrenfeedback. Sie kommen, sie kommen nicht mehr zusammen. // Liebe macht uns blind und wir sind vor allen Dingen verliebt ins Gelingen. // Sie kommen nicht mehr zusammen.

Die richtigen Ideen > > > Ich bin fest dazu entschlossen das Thema zu verfehlen. Ich habe genau zum falschen Zeitpunkt genau die richtigen Ideen. Meine Zeit wird kommen. Meine Zeit wird kommen. // Kennst Du das Gefühl am falschen Ort zu leben? Nur von Straßen ohne Ziel, von falschen Freunden umgeben? Deine Zeit wird kommen. Deine Zeit wird kommen.

Texte > Norbert Graeser

 

NEOBAGISM (2007)

Hey > > > Glaubst Du an Liebe und, hey, ich meine nicht nur uns beide, sondern eine die uns alle verbindet und unsere Hoffnungen verwebt? Glaubst Du an Etwas, das die Welt verändern kann? An eine Technik oder eine Art Programm, das uns verlinkt und seinen Quellcode offen legt? // John Lennon und Klaus Theweleit, Hardt, Negri und Sigmund Freud // Glaubst Du an Liebe und, hey, ich meine nicht Esotherik, aber trotzdem eine kollektive Sehnsucht, die Differenzen liebt und sie vernetzt? Glaubst Du an ein gemeinsames Leben – ich rede nicht vom Glück im Kleinen, sondern eben von etwas wirklich Großem, das Kreise zieht und stetig wächst? // John Lennon und Klaus Theweleit, Hardt, Negri und Sigmund Freud // Ich denk an Liebe, ja, ja. Ich denk an Liebe, na klar! Ich will alles zum ersten mal sehen, ich will alles zum ersten mal verstehen, mein eigenes Leben zurückgewinnen und wieder von vorn beginnen. Wenn es nicht Liebe ist, dann wird es bestimmt die nächste Bombe sein, die uns zusammen bringt.

Wenn Du mich suchst > > > Das kleine Geheimnis, das zwei Menschen verbindet, ist eines, dessen Fährte man erst findet, wenn man allein ist, alleine mit Fragen. Ist sie wie meine Mutter? Oder bin ich wie mein Vater? Liebe ist wie ein Geruch, wie der erste Kuss, eine Chemie, deren Logik man erst lernen muss. Trotz aller Routine gibt es Tage an denen es nicht mehr reicht zu sagen: Ich liebe Dich. // Wenn Du mich suchst, hier bin ich! // Ihr T-Shirt schiebt sich langsam nach oben, die Luft ist schwül, gesättigt mit Substanzen. Sie streift ihren Pulli ab, wirft ihn zu Boden und fragt: na, willst Du nicht tanzen? Am Anfang hältst Du alles noch offen, Du wagst nichts zu hoffen, obwohl Du längst alles gibst. Du zögerst noch, weil es zu früh dafür wär‘ und so schnell inflationär ihr zu sagen, dass Du sie liebst // Wenn du mich suchst, hier bin ich! // Von dem Moment, an dem ich erwache bis zum Nachhauseweg im Dämmerlicht höre ich nicht auf Dich zu vermissen, es tut weh zu wissen: ich liebe Dich.

Flugbegleiter > > > Die Straßen sind menschenleer, irgendwas lief schief. Seltsam still liegt der Verkehr in Madrid und Tel Aviv. Sie krempelt den Alltag um, bildet sich ständig weiter, dealt mit Versicherungen und wird Dein Flugbegleiter // Wo warst Du am Tag als New York City starb? Fear is my copilote // Darwin hätte seinen Spaß an diesem Spiel ohne Sieger, keine Stammplatzgarantie und nie mehr zweite Liga. Die Luft wird langsam dünn in den Führungsetagen. Sie frisst unsere Seelen und bildet Metastasen // Wo warst Du am Tag als New York City starb? Fear is my copilote // Flugzeugmotoren in weiter Ferne, die Vernunft hat längst verloren und auch die Moderne. Der Staub legt sich und wir stehen ratlos hier. Life‘s just an incident surrounded by stratosphere. Fear // Wo warst Du am Tag als New York City starb?

± 0 > > > Gib bloß acht und vergeude keine Zeit, schnell fällt die Acht um und wird zur Unendlichkeit. Fang an zu sieben, nach etwas Wertvollem zu suchen. Lerne Dich selbst zu lieben und jede Kerze vom Kuchen. Und dann die sechs, setzt alle Sinne unter Strom. Gib mir Fünf für die gelungene Aktion. Zähle bis vier, drei, zwei und reihe Dich ein. Eins heißt ja und Null heißt nein. // Was bleibt uns unterm Strich und was zählt für Dich? Plus, Minus, Null // Den Regler auf zehn und immer schön nach vorn, mit dieser Anfangself  haben wir noch nie verloren. Lass außer acht auch mal fünf gerade sein. Eins heißt ja und Null heißt nein // Plus, Minus, Null. Was bleibt uns unterm Strich?

Doch! Doch! > > > Treppe runter, S-Bahn Gleise, Vorband spielt, klingt doch Scheiße, Gästeliste, Vollidiot, einmal Bass-Spielen wie Mike Watt. Damit Dinge mich begeistern muss ich sie nicht verstehen, manchmal reicht es mir auch schon, dass sie eben jetzt geschehen. Retromoden, Gesterntag, als es noch Geschichte gab, Rios Grab in Fresenhagen, Anarchie am Tresen wagen. Es gibt Dinge, die mich gleich begeistern, wenn ich sie verstehe, aber glaub mir, ein Leiche erkenne ich, wenn ich sie sehe. // Nicht wie die anderen sein (ja, ja) – linke Politik (ach wie süß) – ein kleines bisschen Würde (häh?) – und das mit der Musik (bla, bla, bla). // Daraus wird doch nichts mehr. Doch! Doch!

Wir sind umzingelt > > > Huch, war das ein Déjà-vu oder ein Kratzer auf der Platte? Ich habe vergessen, was ich will, aber ich weiß, dass ich es kriegen kann. Es verblassen viel zu früh all die Träume, die ich hatte, und wenn man morgens das Haus verlässt steht der Lauf der Dinge auch schon fest, nur… // Oh, oh, wir sind umzingelt. Wie kommen wir hier raus? // Mit kleinen Alltagslügen verdrängen wir die große Hoffnung auf ein Leben, eine Gesellschaft, die es nicht gibt. Wir bedenken unsere Zweifel, bezweifeln das Bedenkenlose und unsere Freiheit ist wohl das, was noch dazwischen liegt, nur… // Oh, oh, wir sind umzingelt. Wie kommen wir hier raus?

Der richtige Moment > > > Öffne die Augen, die beiden Dinger, die sich auch im Schlaf bewegen wie Scheibenwischer auf einer Regenfahrt, so bleibt die Gegenwart an ihnen kleben. Lebensläufe, Kleiderkäufe, Trends, Bands, Frisuren und Styles, Billiglöhne, Warenströme und das Geld fließt durch die Schweiz, Begegnungen, Bewegungen, geh endlich raus vor Deine Tür, aber Du wartest auf den Moment, den richtigen Moment wofür? // Die Stadt in der Du wohnst, das Pflaster unter unseren Sohlen, das alles und noch viel mehr gehört uns und wenn nicht sollten wir es uns wiederholen. // Kalter Kaffee, Augenringe auf einem Parkplatz im Nirgendwo, LKWs, der Herr der Dinge hat sein Büro in Gütersloh. Transiträume, Heimatträume, ein blinkendes Herz ohne Gespür, aber Du wartest auf den Moment, den richtigen Moment wofür? // Das Land in dem Du wohnst, das Pflaster unter unseren Sohlen, das alles und noch viel mehr gehört uns und wenn nicht sollten wir es uns wiederholen.

Das einzig Denkbare > > > Ich habe den Faden längst verloren und fühle mich fast wie neugeboren. Da ist Wasser, dort oben Hitze und es fällt Licht durch eine Ritze. Wir leben in einer Waschmaschine, wir geraten in die Mangel, kein Ausweg, kein Entrinnen und zwischen Tür und Angel sehen wir Gegensätze sich durchdringen. Wo ist Aussen und wo ist Innen? Ich hab keine Lust mehr auf Schulterklopfen, auf Lamentieren und alte Löcher stopfen. Ich will den Wald entlauben, nicht nur die Bäume sehen. Ich will mit wachen Augen noch mal eine Runde drehen. // Der altbewährte neoliberale Wirtschaftsexperte wirft sich in Schale und dreht weiter die Spirale um 360 Grad zurück auf Start. Wir leben in einer Waschmaschine, alles rotiert nur um uns, alles folgt einem Programm. Wir leben in einer Waschmaschine, haben wir mal große Ideen beginnt sofort der Schleudergang. Ich hab keine Lust mehr auf blöde Hybride, will Antagonismen, will Sex und Liebe. Nie mehr Schuhe kaufen. Nie mehr schlafen müssen. Lass den Motor laufen solange wir uns küssen. Ich hab keine Lust mehr auf Schulterklopfen, auf Lamentieren und alte Löcher stopfen. Ich will den Wald entlauben, nicht nur die Bäume sehen. Ich will mit wachen Augen noch mal durch die Räume gehen. Nie mehr Schuhe kaufen. Nie mehr schlafen müssen. Lass die Maschine laufen solange wir uns küssen. Ich will den Tiger reiten und ich will Sex. Ich will mehr Möglichkeiten. Ich will sie jetzt. // Das verändert zwar die Welt nicht, aber vielleicht stellt man ja fest, dass die herrschende Wirklichkeit nicht die einzig denkbare ist.

Schreib Deinen Namen > > > Tief in mir, unentdeckt von Röntgenstrahlen, dreht es an den Zeigern meiner Uhr und isoliert auf Petrischalen bildet es seltsam pelzige Strukturen. Als schneller Puls im Ultraschall wandert es zum Nächsten und füllt die Lungen mit Luft zum ersten Mal mit einem unmenschlichen Krächzen. So lang noch etwas davon in mir steckt, solang mein Herz noch schlägt, bleibt mir noch Zeit. // Als warmer, ruhiger Strom treibt es unaufhaltsam weiter. Es schreibt seine Ideen und Erinnerungen in jede Zelle unseres Körpers. Dann überrascht uns wie der erste Frost des Winters plötzlich die Ahnung, dass alles vergeht. Um unser eigenes Schicksal zu verhindern schreiben wir unseren Namen in den Schnee. Schreib Deinen Namen in den Schnee und lies was dort steht: bleibt mir noch Zeit. // So stößt eins das andere an und setzt eine Bewegung in Gang, die niemals aufhören nur weitermachen kann.

Am Ende > > > Der Regen fällt auf unsere Welt. Der Pegel steigt weit und breit, flutet die Räume, während wir schlafen und seelig träumen von einer Arche. Das Wasser steigt unaufhörlich. Der Morgen naht und fragt: „Na, störe ich?“ Lichter gehen an auf der anderen Seite und unsere Träume suchen schnell das Weite // Vor der Riesen-Marx-Büste in Chemnitz stehen wir im Regen, der in Strömen fällt, und wenn bald die ganze Stadt überschwemmt ist hoffe ich, dass meine Hand Deine noch hält.

Texte > Norbert Graeser

 

NICHTS FÜR IMMER (2003)

(Stand-By) > > > Menschen warten schon beim Sonnenaufgang auf die erste Bahn, auf den ersten Flug, auf ihr Tagesprogramm, auf den nächsten Zug, auf ein Netz, auf Empfang, auf den Sonnenaufgang.

Willkommen im Club > > > Zweifellos erscheint Zurückhaltung angenehm, aber sie hält uns ab und auf Distanz zu all dem, wonach wir uns sehnen, eine tiefe Sehnsucht, mal winzig und mal groß. // Zweifellos scheint Skepsis sehr oft angebracht, aber sie hindert uns und hält uns davon ab zu tun, was uns Freude macht. Sie steckt zu tief in uns, mal winzig und mal groß // Zweifellos ist Zweifel auch dein Los, wenn Du ein Sucher bist, wenn Gewissheit sich nur als bequem entpuppt, dann willkommen im Club. Willkommen im Club // Zweifellos leichter gesagt als getan, es hält niemals an und läuft pausenlos, ein Non-Stop-Programm. Willkommen im Club. Willkommen im Club // Zweifellos ist Zweifel auch Dein Los, wenn Du ein Sucher bist, wenn Gewissheit sich nur als bequem entpuppt, dann willkommen im Club. Willkommen im Club.

In die Vereinigten Staaten > > > An einem Strand bei Lissabon enden meine Erinnerungen, hier krümmt sich der Horizont und hier verschwand am Tellerrand das letzte Jahrhundert im Meer, wie es alle zuvor auch schon taten. Wir sehen all unsere Mühen im Abendrot verglühen und gleichgültig, wie die Sonne, durchflutet dieses Wissen unsere Tage. Hol dir Tipps vom Arbeitsamt, geh zur Schule, verlass das Land. So schwankt jeder Moment zwischen Nutzlosigkeit und Experiment und nachts funkeln vor meinen Augen am Himmel die Sterne, die auch zu nichts taugen. The 20th Century Boy, the 20th Century, emigrierte aus Europa in die Vereinigten Staaten. // Jeder Moment schwankt zur gleichen Zeit zwischen Experiment und Nutzlosigkeit. Jeder Moment schwankt. // The 20th Century Boy emigrierte aus Europa in die Vereinigten Staaten.

In it for the trouble > > > Dieser Text hat keinen Helden, der durch die Geschichte führt. Es gibt nichts neues zu vermelden, there`s no genius at work. // Der Text ist klüger als sein Schreiber, there’s no genius at all. Wir sind eine eigene Gesellschaft und alles ist so, weil wir es so wollen. // We are not anxious for success. Let`s prick that glittering bubble. We couldn’t care less about anything. We’re in it for the trouble. // Wir sind eine eigene Gesellschaft und alles ist so, weil wir es so wollen.

Stand-By > > > Wir warten. // In den Büros warten im Stand-By-Modus Bildschirme und Tastaturen auf eine Berührung. Die Maus, der Cursor, die Bildschirmschoner, die Tasten berühren, Tasten und Klicken, auf vertraute Fenster und Farben. Wir Menschen warten auf die Ablösung, auf ein Surrogat für Monotonie und Alltag und hoffen auf die Heilung unserer Allergie auf Montag. Wir warten auf den Klick // Wir warten. Stand-By. Wir warten. // Menschen warten auf den Abend. Menschen warten auf das plötzliche Ende einer Werbepause, auf viertel nach Acht.  Die Nachrichtensprecher und Politiker warten auf eine Nachricht aus Washington, auf Bilder aus New York. Clubs und Kneipen warten, Kassen warten, Pitch-Control und Stand-by-Tasten warten in der Pause eines Liedes, das Dich so überraschend trifft wie der Schlag an einem Türgriff.  Wir warten auf den Klick. // Wir warten. Stand-By // Menschen warten auf die Ablösung. Menschen warten auf die Auflösung. // Es fehlt uns nicht an Kommunikation und es mangelt uns nicht an Möglichkeiten, ganz im Gegenteil, wir haben viel zu viel davon. Es fehlt an Widerstand gegen die Gegenwart.

S, M, L, XXXL > > > Alle Dinge, die wir benutzen, erzählen von einer Reise und von der Mühe der Kaufleute, die Entfernung zu verkürzen. Weil sich die Welt nicht mehr verändern lässt bauen sie sich ihre Eigene und laden uns ein sie zu betreten. Wir pendeln zwischen den Magneten // Diese kleine Zauberformel wirkt bis in die Ecken. Es gibt nichts mehr zu entdecken, weil die ganze Welt geordnet ist. “It’s just a matter of size” – der Motor treibt uns voran. Auf einem Parkplatz größer als die Schweiz springt die Karre nicht mehr an. // Alle Dinge, die wir berühren, erzählen von einer Reise, von dem Versuch uns zu verführen, auf die ein oder andere Weise. Weil sich nicht alles berechnen lässt und uns Dinge auch entgleiten erfanden sie die Inventur und Ladenöffnungszeiten. // S, M, L, XXXL

Eines Nachts > > > Eines Nachts liegen wir beide zusammen mit geschlossenen Augen im Gras, die Stadt erwacht, laute Geräusche um uns herum, es kommt Musik aus den vorbeifahrenden Autos, der Flügelschlag von Tauben und tief, tief im Innern dröhnt ein warmes, vertrautes Brummen. // „Das ist für immer“ erzählen unsere Augen, aber „Nichts ist für immer“ ist das, was wir glauben // Eines Nachts auf einer verschneiten Autofahrt erscheint uns von weitem schon die helle Tankstelle wie eine rettende Polarstation. Eines Nachts spült uns ein Sommerwind durch die Strassen, wir fliegen und bleiben am Ende erschöpft auf einer Parkbank liegen.  // „Das ist für immer“ erzählen unsere Augen, aber „Nichts ist für immer“ ist das, was wir glauben // Eines Nachts verlieben wir uns. Eines Nachts küssen wir uns. Eines Nachts vermissen wir uns zu zweit in einem Zimmer. Eines nachts sterbe ich und eines Nachts glaube ich es sei für immer. Eines Nachts. Und alles wird schön …

Sprache der Steine > > > In einer flimmerigen Landschaft, hinter der Glut des Grills, versammelt sich die Verwandtschaft, sie lächelt und hält still für diesen einen Augenblick. Cheese und klick! Die Luft liegt schwül und schwer über den Tischen und dem Garten. Jemand stöhnt am Tennisplatz und alles scheint zu warten auf diesen einen Augenblick. Cheese und klick! Einer Kusine dritten Grades erzählt man besser nichts Privates. An den Zusammenhalt glaubt hier zwar niemand, doch wir machen alle weiter einen auf Buddenbrooks für diesen Augenblick. Cheese und klick! // Worte fallen kaum oder keine. Wir beherrschen perfekt die Sprache der Steine // Ich glaube, seit Generationen treffen wir uns jetzt schon an schönen Sommertagen hinter diesem Grill und vermeiden Fragen für diesen Augenblick. Cheese und klick! // Worte fallen kaum oder keine. Das ist die Sprache der Steine.

Gleiten und Driften > > > Wir gleiten und wir driften über blank-polierte Oberflächen, durch ein Land ohne Versprechen. Wir streiten uns und schlichten. Wir ringen um Sprache und sind erst zufrieden, wenn wir uns lautlos in den Armen liegen. // „Ich lieb dich mehr als Worte sagen…“, höre ich Dich leise flüstern, „mehr als Worte sagen, seit wir uns zum ersten mal geküsst haben.“ // Wir treiben und wir driften, wir küssen uns und lächeln, wir bewegen die Hüften.  Wir schreiben und beschriften. Wir versuchen es fassen, es zu begreifen, dieses Land der Warteschleifen. // „Ich lieb dich mehr als Worte sagen…“, höre ich Dich leise flüstern, „mehr als Worte sagen, seit wir uns zum ersten mal geküsst haben.“ // Wir gleiten und wir driften, wir schwingen mit den Hüften. Wir gleiten und wir driften, wir küssen uns und lächeln, wir bewegen die Hüften. // „Ich lieb dich mehr als Worte sagen, an manchen Tagen kaum zu ertragen.“

Wie alte Freunde > > > Wir lauschen nur noch unseren eigenen Worten wie alten Freunden, die wir nicht mehr ganz verstehen. // Was für ein Scheißgefühl, ein Geheimnis nicht zu kennen, von dem alle anderen wissen.  Beim Blick in ihre Augen fällt es mir schwer zu glauben, dass sie scheinbar nichts vermissen. // In meinen kühnsten Träumen, in viel zu engen Übungsräumen, erkenne ich mich selbst nicht mehr. // Ich würde gerne verschwinden, mich selbst neu erfinden, mein Laufwerk neu beschreiben. Ganz am Ende zählen eh nur die Momente, die unbeschreibbar bleiben. // In einem Passbildautomaten, auf endlos langen Autofahrten, kann ich es im Spiegel sehen. // Erst an den Rändern, schließlich tief in meinem Innern wächst der Wunsch mich zu verändern. Ein neues Leben, ein neuer Lebenslauf und neue Zeiten, neue Möglichkeiten. // In meinen kühnsten Träumen, in viel zu engen Übungsräumen, erkenne ich mich selbst nicht mehr. // In einem Passbildautomaten, auf endlos langen Autofahrten, erkenne ich mich selbst nicht mehr. // Dein Glück verlebt sich an bedeutungslosen Orten.  Wir lauschen nur noch unseren eigenen Worten wie alten Freunden, die wir nicht mehr ganz verstehen. Wie alten Freunden, in diesem Dachstuhl, im Auto unterwegs. Stets die selben Kleinstadthelden.

Unser Haus > > > Ich erinnere mich: der Sommer war nur eine Pause, ansonsten blies ein kalter Wind. Wir blieben die meiste Zeit zu hause. Wo wir jetzt sind ist niemand sonst, soweit uns unsere Füße tragen. Im Niemandsland zwischen Nacht und Tag wird es niemals wirklich Abend. // Liebst Du mich auch jetzt, wenn der Wind den Frost verscheucht und ein warmes Licht die Menschen auf die Strassen treibt? Ich erinnere mich: die Eiszeit war nur eine Pause. // Wo wir jetzt sind ist niemand sonst, nur Landschaft bis zum Horizont. Im Dämmerlicht, in dem wir stehen, kann man gestochen scharf die Sterne sehen. Wo wir jetzt sind ist niemand sonst. // Diese Party geht zu Ende und es wird höchste Zeit zu gehen. Wir waren da um uns zu zeigen. Sie war nicht zu übersehen. Unser Herz ist eine Maschine. Es zählt die Stunden, Tage, Wochen. Es trägt uns durch die Jahreszeiten. Es bewegt unsere Knochen. Our house in the middle of our street, sie spielen mein altes Lieblingslied,  später lallend taumelnd in die Kälte fallen, man kann gestochen scharf die Sterne sehen und auf der Heimfahrt im Auto liege ich am Rücksitz mit meinem Kopf auf ihrem Bauch und ihre Haut riecht nach Urlaub, nach Baggersee, nach Schweiß und Sonnencreme. Our house in the middle of our street. Man kann gestochen scharf die Sterne sehen.

Texte > Norbert Graeser

 

STOP MAKING FRIENDS (2001)

Scheppernd > > > Scheppernd zieht ein Einkaufswagen mich kreuz und quer durch diesen gottverdammten Laden und bleibt vor Regalen stehen, aus denen ich dann Waren wähl’. So rinnt Geld durch meine Hände, verwandelt sich in Gegenstände und liegt mir später schwer im Magen. Scheppernd zieht ein Einkaufswagen mich kreuz und quer durch diesen gottverdammten Laden // I’m the king of compromises und jeder neue Tag beweist es. // Scheppernd, so rinnt Geld durch meine Hände, verwandelt sich in Gegenstände. Pop ist ein Supermarkt. So macht erst Arbeit mich zum Menschen und ist selbst am Ende doch nur menschenfeindlich. // I’m the king of compromises und jeder neue Tag beweist es. // Scheppernd.

Homeboy > > > Ich liebe zwar diese Sprache, nur was verbindet mich schon untrennbar mit einer Landschaft oder gar mit einer Nation? Nichts von all dem kann mir erklären, was Heimat bedeutet, und im Prinzip endet jede Erklärung als Tautologie. Es ist fast wie mit Eisbergen: sieben achtel davon bleiben verborgen im Unterbewusstsein. Ein eins-zwei-drei Sprachengewirr, Geschichten und Anekdoten, ein untrennbarer Knoten in Vier-fünf-sechs Siebenbürgen. Meine Wurzeln finde ich nie. A man is not a tree! // Hey, hey, Homeboy. Jede neue Erfahrung ist wie ein Geräusch, das erst in gewohnter Umgebung wahrgenommen und geortet wird, das anschwillt und Worte füllt und zur Sprache wird, in der ich träume. Heimat ist dort, wo ich gerne wär’, doch das trifft’s auch nur ungefähr. In eins-zwei-drei Generationen, Geschichten und Anekdoten, ein untrennbarer Knoten in vier-fünf-sechs Siebenbürgen. Meine Wurzeln vermisste ich nie. A man is not a tree! // Hey, hey, home boy.

Peripherie > > > Diese Stadt hier wächst an ihren Rändern. Sie bildet neue Jahresringe zwischen Tankstellen und Möbel-Centern. Du kannst sie lieben oder es lassen. Häuser bleiben unbeweglich,  doch dazwischen auf den Strassen dreht es sich täglich weiter um die alte Mitte. Türen schließen, zurückbleiben bitte! Räder rollen, Linien werden zu Spiralen und ziehen mich hinein ins Zentrum, durch eine namenlose Landschaft, ein Haus, ein Zaun, ein Garten in einen Schwarzplan voller Farben // Diese Stadt bleibt zwar die Selbe und ist nicht wirklich ganz das Gelbe, aber mir gefällt ihre Gleichgültigkeit. // Mit jedem Tag, an dem ich mich durch sie bewege, zerfällt sie in Teile und setzt sich dann in meinem Kopf wieder neu zusammen zu einem Flickenteppich aus Gesichtern, Stimmen und Namen, zu einem Stadtplan voller Farben. // Sie bleibt zwar noch die Selbe und ist wohl nie so ganz das Gelbe, aber mir gefällt ihre Gleichgültigkeit. // Mit jedem Tag wird mir mehr und mehr klar, was ich an ihr mag.

Wie aus Papier > > > Menschen sind wie aus Papier, manchmal geknickt, manchmal ganz knülle. Manchmal sind sie kleinkariert, manchmal ganz leer oder nur Hülle. Menschen sind wie aus Papier, orientierungslos im Fallen, aber Du trägst etwas in Dir, das trotz allem unverändert bleibt. Menschen sind wie aus Papier, orientierungslos im Fallen. // Stop always making friends, just enjoy the indifference.

Luftbilder > > > Luftbilder, keine Menschen zu sehen, nur Strukturen, Städte, Flüsse und Seen und das Meer, ein Mehr an Möglichkeiten, aus 80.000 Metern hinuntergleiten in eine Strasse, in einen Hauseingang, in ihre Augen, dorthin wo alles begann: in ihren Augen.

Aussichtsturm > > > Gesichter, fremd oder längst vertraut, Lachen und Kichern. Na, wie ist die Luft dort oben? All diese Lichter ergeben am Ende eine Stadt, sind nur ein Wimpernschlag, nur Fliegendreck für mich dort oben // Rund um den Aussichtsturm ist alles klar und ruhig, kein Nebel und kein Sturm zwei Meter über Null. // Wie eine Skizze ist das meiste ein Versuch,  nur eine Spur die bleibt, wenn das Ziel verloren geht. Und die Geschichten ergeben einen Lebenslauf,  sind nur ein Wimpernschlag. Kleine Fehler nehme ich gern in Kauf. // Rund um den Aussichtsturm ist alles klar und ruhig, kein Nebel und kein Sturm zwei Meter über Null. Endlose Entropie, ich hoffe nur ich komme aus dem Staunen niemals raus. Langweilen wollte ich mich nie. // Sei doch mal ehrlich: was von all dem, das dich umgibt ist unentbehrlich, wenn du jemanden liebst? Und sie ist wunderschön, wenn sie am Morgen neben mir liegt. Was soll ich noch erzählen? Ich sehe ihr einfach nur zu.

Idiot > > > „Das Meer ist wirklich groß“ sagt sie und steht auf, Sand klebt an ihren Handgelenken. Sie war schon immer gut darin genau das zu sagen, was ich im selben Moment gerade denke. Was ist schon wirklich groß? Kaum etwas von dem, was ich täglich tue, ist von Relevanz. Ich war so ein Idiot, eine Zeitlang dachte ich wirklich, diese Gegenwart bliebe mir vielleicht erspart // Diese Stadt ist wirklich groß. An Baustellen staut sich der Verkehr Richtung Prenzlauer Berg. Egal in welcher Stadt Du wohnst, es sind fast nur Alltäglichkeiten, die Dich durch den Tag begleiten. „Du brauchst ‘nen neuen Job“ meint mein Bankautomat… na, dann vielen Dank für diesen Rat. Ich war so ein Idiot, eine Zeitlang dachte ich wirklich, diese Gegenwart bliebe mir vielleicht erspart. // Eine Zeitlang dachte ich wirklich, diese Gegenwart bliebe mir erspart.

Texte > Norbert Graeser

 

PASSAGEN (1999)

Vor allem die Dinge > > > Mich langweilen Pärchen, die perfekt harmonieren, die mir ständig ihr blödes Glück demonstrieren. Warum sollte ich nur einen Gedanken an sie verschwenden? Etwas schon perfektes lässt sich nicht mehr vollenden. Mich faszinieren vor allem die Dinge, die erst durch ihren Gebrauch noch an Schönheit gewinnen. Ich fühle mich nicht wohl in voll möblierten Zimmern, deren Enge und Schwere nur an Fassbinder erinnern. Räume und Filme sind am Ende auch nichts anderes als Gebrauchsgegenstände. Mich faszinieren vor allem die Dinge, die erst durch ihren Gebrauch noch an Schönheit gewinnen.

Neue Ordnung > > > Gabelstapler in Bewegung, wie in einem Autoscooter, auf einer kleinen, sicheren Plattform bringen sie Kisten an ihr Ziel. Sie drehen sich im Kreis und wenden, aber ich wollte immer etwas anderes machen als mir auf engstem Raum vorübergehend Platz zu schaffen // Lagerarbeiten // Stapel bleiben in Bewegung, Kabel werden neu verlegt, Interessen sollen sich verlagern, Begriffe werden neu belegt. Notizen sammeln und verlegen, aber ich wollte immer etwas anderes machen als nur auf engstem Raum scheinbar neu Ordnung zu schaffen. // Lagerarbeiten.

Filter > > > Aus einer Welt, die mich umschwärmt, die ich nie ganz entziffern kann, baue ich etwas, das sich selbst erklärt ohne mit der Türe gleich ins Haus zu fallen. // Wir verbinden und wir schichten alle Spuren und Stimmen, um sie zu verdichten. // All die Frequenzen, die mich umgeben, kann ich filtern und verstärken. So entsteht dann an den Reglern Schicht für Schicht ein neues Gleichgewicht. // Wir verbinden und wir schichten unsere Spuren und Stimmen, um sie zu verdichten. // Schicht für Schicht ein neues Gleichgewicht.

Dresden Neustadt > > > Auf der Zugfahrt nach Berlin in einem ICE-Großraumabteil spielt ein Junge mit einem Flugzeug aus einem Überraschungsei. Er läuft im Gang damit auf und ab und macht Motorengeräusche. Ich hänge weiter Erinnerungen nach als ob ich sie zum Überleben bräuchte, in Neufünfland. // Ich sitze mit dem Rücken zur Fahrtrichtung. Ich mag es wirklich gerne wie sich die Dinge drehen und verändern, wenn ich mich von ihnen entferne. Ich betrachte mein Spiegelbild auf den abgetönten Scheiben, als Hintergrund eine Landschaft im Herbst und meine versäumten Möglichkeiten, in Neufünfland. // Ich habe keinen Grund mich zu beklagen, manche Tage hier sind wirklich schön, ich denke nur immer ans Verreisen, wenn ich über einen Bahnhof gehe, in Neufünfland.

Passagier > > > Ich bin ein Passagier und immer auf Distanz zu all jenen, die ich liebe. So entsteht aus der Entfernung eine ganz neue Perspektive. So werden Worte zu Bildern, so werden Orte zu Texten, das ist der Film, den ich belichte. Ich bin blinder Passagier, ein Mann ohne Geschichte. // Jeden Tag schreibe ich die Erzählung neu und keinem Wort, nur meiner Stimme bleibe ich treu. // Ich bin ein Passagier, ich bin einer von vielen.  Ich kaufe, ich esse, ich ruhe mich aus und jeder Ort wird mein zu Haus, solange noch ein Zeichen dort draußen mit meiner Stimme zu mir spricht, von Schildern und Plakaten, aus dem Prospekt in meiner Hand. Ich bin blinder Passagier und bleibe lieber unerkannt. // Jeden Tag erzähle ich die Geschichte neu und keinem Wort, nur meiner Stimme bleibe ich treu. // Ich bin ein Passagier und alles Gegenwart und immer hier. Ich verweile in fremden Zimmern und auf Plätzen mit Monumenten. So werden Orte zu Texten, so werden Worte zu Bildern. Ich bin ein Fremder unter Fremden, ein blinder Passagier, und ich rede mit den Händen.

Texte > Norbert Graeser

 

IN ZEITLUPE (1996)

Idyll > > > Diese Landschaft malt in vertrauten Farben Bilder an den Straßenrand, mit 90 auf der Autobahn, dieses Land ist riesig in einem Trabant. // An Tankstellen vertraute Rituale, Zigarettenpause am Kaffeeautomat, es ist schon seltsam, was man Fremden erzählt, auf einer langen Autofahrt. // Das einzige Idyll, das ich finden kann, ist das, das ich mir selber schaffe. // Kaufhäuser in vertrauten Farben verbinden Deutschland Ost und West. Als Mikrokosmos gleicht eines dem anderen, ganz egal in welcher Stadt Du bist // Das einzige Idyll, das ich finden kann, ist das, das ich mir selber schaffe.

Zeitlupe > > > Kirchen stehen und Kirchensteuern Jugendfreizeit-Abenteuer. Die erste Liebe war eine verlorene Wette. Der Rauch Deiner ersten Zigarette bleibt ein Leben lang in Deinen Lungen. Jungs lieben Mädchen, Mädchen lieben Jungen. // Autofahren und Autos steuern den Mythos von Freiheit und Lagerfeuer, die große Liebe ohne jede Verpflichtung. Am Himmel zerfallen Kondensstreifen und zeigen mir die Richtung. Ich ändere die Richtung // Familienleben und Familien steuern die Geburt von Kindern und von Ungeheuern. Nach der Schule auf der Hundewiese, Nasenbluten, Tore schießen. Schorf und Narben waren Wunden. Jungs lieben Mädchen, Mädchen lieben Jungen // Chronologie ist ein Leben auf Tagebuchseiten, ein Rennwagen, und alles überschlägt sich in Zeitlupe.

Planet der Affen > > > Tageszeitungshoroskope, ich lese sie aus Langeweile und an der großen Fensterscheibe zieht der ganze Tag nochmal vorbei. Second-Hand-Sackos sitzen zwischen Liebespäarchen an den kleinen Tischen. Kleidung ist hier Politik. Wir glauben noch an Popmusik. // Die üblichen Verdächtigen, wer sie nicht kennt, der bleibt allein und an der großen Fensterscheibe zieht der Rest der Stadt vorbei. Der Typ vom Jugendmagazin schmiedet Weltverschwörungstheorien. Partys sind hier Politik. Wir glauben noch an Popmusik. // Ich komme immer wieder gerne zurück in dieses kleine Café, diesen Planet der Affen, um den die ganze Welt sich dreht. // Wir pfeifen auf jede Ziegenbart-Professionalität. Wir führen ein Leben an der Bar, solange sie noch steht. // Stühle werden auf den Tisch gestellt. Um eins ist Schluß wie jeden Abend, aber wir sehen uns morgen wieder, denn wir haben uns was zu sagen. Und zwar?

Reihenhaus/Klavier > > > Eine Landschaft unter weißen Laken, Deine Haut ist weich und warm vom Schlaf, ein leichtes Beben, Dein ruhiger Atem, ich daneben bin Seismograph in dieser unheimlichen Stille. // Absolut nichts, Langeweile, hinter einer kleinen Häuserzeile. Zu Besuch bei Deinen Eltern in dieser unheimlichen Stille. In jedem Reihenhaus steht ein Klavier… raus hier! Und es ist so lang her und jetzt so schwer. Es ist so lang her und jetzt so schwer. // Ich habe einfach keine Lust mehr jemanden zu lieben, der sich selbst nicht mag.

Flugzeugträger > > > Spätsommertag, Freibad, Beckenrand, eine schwangere Frau durchkreuzt das Wasser, ruhig und elegant wie ein Flugzeugträger. Innen ist außen und außen ist innen, die Schlange beißt sich selbst in den Schwanz und ich spring, ich tauche und ich bin ganz drin. // We all live in a yellow submarine. // U-Bahn-Ausgang, Fußgängerzone,  ich als Schlachtschiff der guten Laune, Verkäuferinnen und ihr Charme, diese Stadt hält mich am Leben. Diese Stadt sie hält mich warm. Sie frißt all meine Energie und in der Nacht dann leuchtet sie heller als der Tag. Es ist ein einfaches Prinzip: sie gibt mir alles was ich brauch und nimmt sich dafür dann alles, was ich hab‘. Wieder raus auf die Straße, vorbei an den Häusern, die beige sind – nachts sind alle Häuser grau – vorbei an den Männern in Lodenmänteln. Denn genau das sind Münchens Farben: das gelbe Beige seiner Fassaden, das Grau des Alltags von Millionen und das dunkle Grün von Loden.

Rest des Tages > > > Von diesem Tag war noch nichts zu spüren oder ich habe ihn hier verloren in vollklimatisierten Räumen. Jetzt trifft es mich wie eine Sensation, der Sommer in den Straßen, ich hatte ihn noch nicht bemerkt. Warme Luft steigt langsam auf und kriecht unter meine Kleidung. Auf einem Rad die Straße runter, Gärten ziehen an mir vorbei, sie fangen an sich aufzulösen mit steigender Geschwindigkeit. // Der letzte Rest des Tages in meinem Lieblings-Dunkelblau, es hüllt mich ein wie ein Mantel warm auf meiner Haut. Ich will nur den Fahrtwind spüren, heute will ich alles geben, beschleunigen, schneller werden, wie nie zuvor in meinem Leben. Und jedes helle Fenster, das vorbeifliegt, ist ein Geistesblitz, der mich in Aufregung versetzt und die ganze Nacht nicht schlafen lässt. // All die Orte, Plätze und Stellen, an denen ich gerne bin, hat der Zufall geschaffen und der Zufall führt mich zu ihnen hin.

Texte > Norbert Graeser

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